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Facebook-Fahndung der Polizei in Niedersachsen

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 24.02.2012; Fragestunde Nr. 6


Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die mündliche Anfrage der Abgeordneten Meta Janssen-Kucz (Grüne)

Die Abgeordnete hatte gefragt:

Die Polizei Hannover ist bei Fahndungen, Aufrufen etc. seit März 2011 auch in dem Sozialen Netzwerk Facebook aktiv. Mitte Januar 2012 jubelte sie noch über „96 000 Fans“ für die Seite „Polizei Hannover“.

Nunmehr hat der Datenschutzbeauftragte des Landes Niedersachsen zunächst ein Ende zumindest der Facebook-Fahndung veranlasst. Er hatte immer wieder wegen fehlender rechtlicher Grundlagen Bedenken gegenüber dem „Kommissar Facebook“ geäußert. Aus seiner Sicht dürfe die Polizei bei Facebook mit seinen Rechnern in den USA keine personenbezogenen Daten einstellen, weil die gesetzlichen Grundlagen für die Datenübermittlung einer Behörde in ein Nicht-EU-Land fehlten. Die Betroffenen hätten zudem kaum eine Möglichkeit dafür zu sorgen, dass ihre Daten wieder aus dem Netz verschwänden, wenn sie glaubten, dass zu Unrecht nach ihnen gefahndet werde. Die Rechtfertigung der Polizei, sie beziehe sich auf die allgemeine Öffentlichkeitsfahndung aus der Strafprozessordnung, ist unter Juristen umstritten.

Schon im Juli 2011 äußerte Innenminister Schünemann gegenüber der Welt am Sonntag, es sei ein „Internet-Führerschein“ in den Schulen nötig, „um über die Gefahren von Facebook aufzuklären“; denn „die Jugendlichen wissen doch oft gar nicht, was sie anrichten“.

Ich frage die Landesregierung:

1. In wie vielen und welchen Fällen und mit welchem Ergebnis hat die Polizei Hannover bzw. Niedersachsen seit März 2011 personenbezogene Daten bei Facebook eingestellt?

2. Wie viele sonstige Aufrufe, Fahndungen, Suchen etc. wurden von der Polizei Hannover bzw. Niedersachsen bei Facebook eingestellt und mit welchem Ergebnis?

3. Wie will die Landesregierung dafür Sorge tragen, dass die personenbezogenen Daten der Betroffenen, die bisher in den Rechnern von Facebook in den USA wegen der Veröffentlichung durch die Polizei des Landes Niedersachsen gespeichert sind, gelöscht werden?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:

Das Internet hat die weltweite Kommunikation in den letzten Jahren revolutioniert. Es hat sich zum äußerst wirkungsvollen Kommunikationsmedium entwickelt und dient als neuzeitliche Nachrichtenbörse. Herkömmliche Kommunikationsdienste und das Internet verschmelzen immer mehr zu einem „Next-Generation-Network“. Kommunikation über neue Medien wie Internet, E-Mails, IP-Telefonie sind zum internationalen Standard geworden. Die Nutzerzahlen interaktiver Informations- und Kommunikationsplattformen wachsen rasant.

Facebook gilt dabei als das weltweit größte und populärste soziale Netzwerk. Diese Plattform ermöglicht es den Benutzern, sich zu präsentieren, miteinander zu kommunizieren sowie in Interaktion zu treten.

Auch die niedersächsische Polizei als bürgernahe Organisation passt sich diesem Trend an und nutzt das soziale Netzwerk Facebook zur Präsentation, Information und Kommunikation und auch, um an die Mithilfe der Bevölkerung zu appellieren.

Im Rahmen von drei verschiedenen Pilotprojekten hat die niedersächsische Polizei, beginnend im letzten Jahr, sogenannte Fanpages bei dem sozialen Netzwerkbetreiber Facebook eingerichtet.

In einem dieser Pilotprojekte erprobte die Polizeidirektion Hannover mit ihrem Account bei Facebook die Wirkung polizeilicher Öffentlichkeitsfahndung in sozialen Netzwerken auch im Vergleich zu einer Öffentlichkeitsfahndung über die klassischen Medien.

Die bisherigen Fahndungserfolge und raschen Ergebnisse bei der Suche nach Vermissten belegen, dass die Polizei sich diesem Medium nicht verschließen darf.

Nach Gesprächen mit dem Unternehmen Facebook und dem Landesdatenschutzbeauftragten im Januar 2012 wurden die Maßnahmen zur Öffentlichkeitsfahndung und Vermisstensuche bei Facebook trotz dieser Erfolge bis zur Klärung offener Fragen zunächst ausgesetzt.

Die bis dahin eingestellten personenbezogenen Daten wurden durch die Polizeidirektion Hannover gelöscht. Die Daten sind unmittelbar mit dem Auslösen des Löschvorgangs weder für die registrierten Mitglieder von Facebook noch für Besucher der Fanpage der Polizeidirektion Hannover abrufbar.

Laut Auskunft der Firma Facebook erfolgt die endgültige Löschung der Daten auf den firmeneigenen Servern innerhalb von drei Monaten nach der Herausnahme durch den Fan-pagebetreiber.

Im Februar 2012 wurde die Möglichkeit zur Öffentlichkeitsfahndung über Facebook in modifizierter Form wieder aufgenommen.

Zukünftig wird die Polizei keine personenbezogenen Daten im Zusammenhang mit Öffentlichkeitsfahndungen bei Facebook einstellen. Erforderliche Daten für Fahndungsmaßnahmen und Vermisstensuche sollen vielmehr auf polizeieigenen Servern gespeichert werden. Zu den Fahndungs- und Suchhinweisen gelangt man dann über einen sogenannten „Link“, der auf der Fanpage der Polizei bei Facebook mit allgemeinen Hinweisen eingestellt wird. Beim Aufrufen des „Links“ wird der Nutzer auf die Fahndungsseite der Polizei geleitet. Dort erhält er die Informationen, die bisher auf der Pinnwand der Fanpage bei Facebook hinterlegt waren.

Hat der Nutzer sachdienliche Hinweise, kann er diese per Telefonanruf oder E-Mail an die Polizei weitergeben. Die Kommentarfunktion bei Facebook bleibt bestehen. Diese war und ist aber nicht dazu gedacht, Zeugenhinweise abzugeben. Entscheidend bei der Variante des „Links“ ist die Tatsache, dass die Hoheit über die personenbezogenen Daten besonders in Bezug auf die Speicherung und Löschung bei der Polizei bleibt. Eine Übermittlung von personenbezogenen Daten auf US-amerikanische Server findet damit nicht mehr statt.

Dies vorangestellt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1:

Nach Mitteilung der Polizeidirektion Hannover ist mit der Entscheidung zur Löschung eine retrograde Überprüfung im Einzelnen nicht mehr möglich, da die Polizei nun keinen Zugriff mehr auf die gelöschten personenbezogenen Daten auf dem Facebook-Account hat.

Die Polizeidirektion Hannover stellte rund 70 Öffentlichkeitsfahndungen auf Facebook im Zeitraum zwischen 1. März 2011 und 20. Januar 2012 ein. Darunter waren rund 10 Fälle der Vermisstensuchen.

Bei den Fahndungen im Zusammenhang mit Straftaten ging es um Fälle von schwerer und gefährlicher Körperverletzung, um Raubüberfälle, um Sexualdelikte, um schweren oder gewerbsmäßigen Diebstahl, Computerbetrug und um Landfriedensbruch. Die „Facebook-Fahndung“ wurde bisher in einem Fall bei einem Tötungsdelikt eingesetzt.

In bisher acht Fällen (darunter zwei Vermisstensuchen) war die Öffentlichkeitsfahndung über Facebook erfolgreich und führte zur Aufklärung der Straftat bzw. zum Auffinden der vermissten Person.

Zu Frage 2:

Zusätzlich zu den Öffentlichkeitsfahndungen mit personenbezogenen Daten wurden nach Mitteilung der Polizeidirektion Hannover in zwei Fällen Sachfahndungen eingestellt. Diese Fahndungsmaßnahmen verliefen bisher ergebnislos.

Darüber hinaus wurden ca. 30 Aufrufe nach Zeugen und Hinweisen im Zusammenhang mit strafrechtlichen Ermittlungsverfahren auf der Fanpage der Polizeidirektion Hannover ohne personenbezogene Daten eingestellt. Die Aufrufe brachten bisher keine neuen Erkenntnisse, die zur Aufklärung der Straftaten beigetragen haben.

Zu Frage 3:

Siehe Vorbemerkungen.

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erstellt am:
27.02.2012

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